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Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
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36 – Forsthaus Hubertus

Nr.: 36
Veröffentlichung: 14. Juni 2022
Erscheinungsweise: alle 2 Wochen
Seitanzahl: 100
Autor: Leni Behrendt
Artikel-Nr.: 9783740995706
Es hatte den Anschein, als wollte es an diesem griesgrämigen Novembermorgen gar nicht hell werden. Er tauchte alles grau in grau, draußen so wie drinnen, wo das Ehepaar Synor beim verspäteten Frühstück saß. Kein Wunder, daß sich das trübselige Wetter auf die Stimmung legte und die Laune der Herrschaften gleichfalls grau war, zumal man nach einer durchfeierten Nacht zu wenig Schlaf gehabt hatte – und dann seinen Hunger noch nicht einmal richtig stillen durfte, weil man auf schlanke Taille hielt und jedes Pfund Gewichtszunahme als eine Katastrophe ansah. Also war der Frühstückstisch wohl zierlich gedeckt aber mager bestellt. Toast, mageres Fleisch, Obstsalat, mehr konnte man nicht entdecken. Und selbst aus der brodelnden Kaffeemaschine gestattete man sich nicht mehr als eine Tasse des aromatischen braunen Trankes. O ja, sie waren eben ein modernes Paar, der Landrat Guido Synor und seine Frau Ola, rank und schlank, elegant und fesch. Er brünett mit kleinem Bärtchen, sie platingebleicht mit diskret zurechtgemachtem Gesicht. Ihr Morgengewand war ebenso raffiniert wie sein Morgenhabit aus weißem Flanell. Man konnte schon sagen, daß dieses Paar sich gesucht und gefunden hatte. Gesellschaftsmenschen in jeder Form, wirklich gutaussehend und gepflegt. Sie waren ja auch nicht alt, obwohl sie bereits erwachsene Töchter hatten, sie eine von zwanzig Jahren, er eine von dreiundzwanzig. Sie war mit neunzehn Jahren Mutter geworden, er mit fünfundzwanzig Vater. Sie hatte ihren ersten Mann durch den Tod verloren, er seine erste Frau. Und da Synor der Nachfolger des Landrats von Hauser im Amt wurde, so übernahm er gleich die Witwe des Verstorbenen mit. Warum auch nicht? Es paßte doch alles so schön. Er hatte Geld, sie hatte Geld. Außerdem gefielen sie sich gegenseitig und waren bereit, eine angenehme Ehe zu führen, was sie denn auch seit drei Jahren taten. Er besaß in ihr die vorbildliche Repräsentantin, die er für sein großgeführtes Haus brauchte und sie in ihm, wenn auch nicht gerade einen liebevollen, so doch rücksichtsvollen, galanten Gatten, der ihr notwendige Freiheit ließ, diese jedoch auch für sich begehrte.

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