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Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
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24 – Die Reise ins Ungewisse

Nr.: 24
Veröffentlichung: 11. Januar 2022
Erscheinungsweise: alle 2 Wochen
Seitanzahl: 100
Autor: Leni Behrendt
Artikel-Nr.: 9783740989224
Einundzwanzig Kerzen brann­ten auf dem Tisch, der mit Dingen belegt war, die ein Mädchenherz entzücken müßten. Und doch stand das Geburtstagskind, dem die Geschenke alle gehören sollten, gleichmütig davor. Die Augen, die blau wie Enzian aus einem Gesicht von ungewöhnlicher Schönheit herausleuchteten, schweiften mit spöttischem Blick über die Gaben hinweg und blieben dann an einer Dame haften, die in würdiger, selbstbewußter Haltung neben dem jungen Mädchen stand. »Ich danke dir, Tante Malwine. Du hast dir viel Mühe gemacht«, sagte sie endlich. »Gewiß, mein Kind.« Nun folgte eine langatmige Beschreibung von dem, was sie alles hatte tun müssen, um diesen wahrhaft fürstlichen Geburtstagstisch herzurichten. »Ich wünsche dir viel Glück für dein neues Lebensjahr, mein liebes, liebes Kind«, ging die Litanei weiter. »Da du heute mündig geworden bist, stehst du vor einem neuen Lebensabschnitt. Ich hoffe, daß du mir auch weiterhin die Liebe entgegenbringen wirst wie bisher. Neun Jahre habe ich dir die Mutter ersetzt, habe damit manches Opfer auf mich genommen. Habe sogar auf mein eigenes Frauenglück verzichtet, weil ich das Kind meiner Schwester nicht fremden Händen überlassen wollte.« Die recht salbungsvolle Rede hörte die Nichte nicht zum ersten Mal. Sie hatte sie schon acht Mal über sich ergehen lassen müssen – immer dann, wenn sie Geburtstag hatte. Daher kannte sie diesen Erguß Wort für Wort, hatte schon längst gelernt, keine Silbe davon ernst zu nehmen. Tante Malwine hatte ihretwegen auf das eigne Frauenglück verzichtet? Das sah dieser selbstherrlichen, egoistischen Dame gerade ähnlich! Wenn sich nur ein Mann ernstlich um sie bemüht hätte, dann wäre ihr das Wohl des Schwesterkindes herzlich gleichgültig gewesen.

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