120 – Die heimliche Hochzeit
Es war früher Abend. Alle Straßen in Waldkogel waren wie ausgestorben. Fast jeder saß vor seinem Fernsehgerät. Noch nie wurde eine Sendung des Regionalprograms in Waldkogel mit solchem Interesse verfolgt.
Die Moderatorin im schicken Landhausdirndl saß mit drei Herren in gediegenen Lodenanzügen in einer Talk-Runde. Es waren der Bürgermeister Fritz Fellbacher, Tassilo Graf von Teufen-Thurmann, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des neuen Trachtenvereins von Waldkogel, und Professor Doktor Konrad Schwammer, der Experte für ländliches Brauchtum und Trachten.
»Meine Herren, ich begrüße Sie ganz herzlich und danke Ihnen für ihr Kommen. Dass dem neuen Verein von Waldkogel die Teilnahme am diesjährigen Trachten- und Vereinsfest in Kirchwalden verweigert wird, hat hohe Wellen geschlagen. Herr Bürgermeister Fellbacher, Sie hatten den Verein angemeldet. Wie ist der Sachverhalt?«
Bürgermeister Fritz Fellbacher brachte sich in Position.
»In unserem schönen Waldkogel haben wir ein sehr reges Vereinsleben. Vor einiger Zeit gründete sich ein neuer Verein, er richtet sich speziell an junge Leute. Die Mitglieder betätigen sich in dem Chor des Vereins, außerdem gibt es eine große Tanzgruppe mit einer großen Kinderabteilung. Dabei widmen sie sich modernen Musikstücken und Volksliedern. Dazu wollten die Vereinsmitglieder auch eine neue Tracht. Der Auswahlprozess war nicht einfach, aber jetzt sind alle glücklich und zufrieden. Leider wird die Tracht von dem Veranstalter nicht anerkannt und der ›Neue Trachtenverein Waldkogel‹ wurde für die Teilnahme am landesweiten Vereinstreffen in Kirchwalden disqualifiziert. Für die Trachten gäbe es keine historischen Vorgaben, heißt es. Dabei steht nirgends geschrieben, dass es für einen Trachtenverein bindend ist, dass er sich an historische Vorgaben halten