23 – Wenn Heimweh dir das Herz verbrennt
Tosend rauschte der Wildbach ins Tal. Bei dem Lärm konnte man sein eigenes Wort nicht verstehen. Noch hatten die Touristen diese kleine weltabgeschiedene Ecke nicht entdeckt. Die Einwohner lebten seit Jahrhunderten beschaulich in der Bergeinsamkeit. Doch leicht war das Leben hier nicht. Die Äcker auf den Berghängen waren schwer zu bearbeiten. Da halfen keine Maschinen, hier mußte man noch das Pferd vor den Pflug spannen, und wer keines besaß, die Kuh. Dann gab es am Abend jedoch weniger Milch, und das spürte die ganze Familie. Freilich, hungern mußte niemand, doch der Tisch war selten wirklich reichhaltig gedeckt.
Therese Bicherl öffnete seufzend die Stalltür, hob den nicht allzu schweren Milcheimer hoch und lief geduckt zum Wohnhaus, denn der Wind blies heftig. Wieder lag ein arbeitsreicher, aber leerer Tag hinter ihr.
Therese lebte seit zwei Jahren allein. Ihr Sohn hatte nach einem heftigen Streit mit dem Vater das Haus verlassen. Seitdem war kein Lebenszeichen mehr von ihm gekommen. Vor Gram über das Verschwinden seines einzigen Sohnes, des Hallodri, wie er ihn nannte, war der Bicherl bettlägerig geworden und nach langem Krankenlager gestorben.
Seither hatte Therese den Hof allein bewirtschaftet, eine harte Aufgabe für eine Frau. Bei der Ernte halfen zwar einige Nachbarn mit, doch auch während des ganzen Jahres gab es genügend Arbeit, bei der die Therese sich oftmals überlastet fühlte.
»Wenn nur der Thomas hier wär«, sagte Therese seufzend zu sich. »Jetzt könnt’ er den Hof übernehmen, und ich würd’ ihm den Haushalt führen.« Während der langen Zeit ihres Alleinseins hatte sie sich angewöhnt, mit