
46 – Dr. Norden und die Lügnerin
Dr. Norden verband einer Patientin die Hand, als Loni angeflitzt kam.
»Schnell, Herr Doktor, da ist eine junge Frau, die krümmt sich vor Schmerzen. Es ist anscheinend eine Vergiftung«, stieß sie hervor. »Sie spricht aber kein Wort deutsch.«
»Die Ausländer«, sagte die Patientin, der Dr. Norden gerade seine Hilfe zuteil werden ließ, weil sie sich mit dem Brotmesser geschnitten hatte.
»Es sind Menschen wie wir«, sagte er ruhig. »Sie sind versorgt, kommen Sie in zwei Tagen bitte wieder.«
»War ja nicht so gemeint, Herr Doktor«, sagte sie noch, bevor sie ging, »aber deutsch könnten sie wenigstens lernen, wenn sie bei uns ihr Geld verdienen.«
Gina Retho, so hieß die junge Italienerin, hatte dazu noch keine Zeit gehabt. Sie war erst seit zwei Tagen in München, und an diesem Tag war sie von ihrem Mann in ein Spezialitätenrestaurant geführt worden, weil sie Scampis essen wollte.
Das erzählte Mario Retho aufgeregt, denn er hatte seine Frau hergebracht. Dr. Norden kannte ihn schon. Er hatte ihn auch wegen einer Verletzung behandelt.