
417 – Heikos größter Wunsch
Mit fahrigen Bewegungen durchwühlte der große schlaksig wirkende Junge sein Gepäck. Wäschestücke, Socken und Sportschuhe flogen kreuz und quer durchs Zimmer.
»Das Geld ist weg«, stöhnte Jürgen Gerstner und ließ dabei die Schultern hängen. Verzweifelt sah er die Schulkameraden, die mit ihm das Zimmer teilten, an.
»Mann, das gibt es doch überhaupt nicht.« Nick schüttelte empört den Kopf. Er war vor zwei Tagen mit seiner Klasse im Schullandheim eingetroffen und gehörte zu der Gruppe, die mit Jürgen in das Vierbettzimmer eingewiesen worden war. Jeder der Jungs wußte, daß Frau Gerstern von einer kleinen Witwenrente lebte und sich als Putzhilfe noch etwas nebenbei verdiente. Wenn sie ihrem Sohn für den Schullandaufenthalt einhundert Euro Taschengeld mitgegeben hatte, war ihr das sicher nicht leichtgefallen. Schon aus diesem Grund fand es Nick unvorstellbar, daß jemand Jürgen etwas weggenommen haben sollte.
»Der Schein ist nicht mehr da.« Jürgens Stimme klang weinerlich. Der Größe nach hätte man ihn für einen jungen Mann von Anfang Zwanzig halten können. Aber er war erst sechzehn und noch ein halbes Kind, leicht verletzlich und bei Schwierigkeiten sofort mutlos.
»Schau doch mal in deinen Taschen nach«, schlug Nick ruhig vor. Er war fast noch größer als Jürgen, wirkte schlank und sportlich. Mit seinen dunklen Augen, den schwarzen Locken und dem sonnenbraunen Teint war er ein ausgesprochen hübscher Junge. Manches Mädchenherz schlug rascher, wenn Nick auftauchte.