
405 – Viola kennt die Wahrheit
»Tante Ma! Tante Ma! Schon wieder ist ein Vogel mit voller Wucht gegen die große Scheibe vom Wintergarten geflogen. Er ist tot, der arme Vogel!«, rief Henrik von Schoenecker Else Rennert, der Heimleiterin von Sophienlust, zu.
»Du brauchst nicht so zu brüllen, ich bin nicht schwerhörig«, sagte Frau Rennert. Sie saß in ihrem Büro hinter dem Schreibtisch und hatte gerade die Papiere eines dem Kinderheim anvertrauten Kindes durchgesehen. Die Heimleiterin war eine ältere, mütterlich wirkende Frau. Ihr Sohn Wolfgang und ihre Schwiegertochter Carola hatten sie mit der Geburt eines Zwillingspärchens bereits zur Großmutter gemacht.
»Tante Ma, tut dir der Vogel nicht leid? Es ist schon der dritte, seit das Hausmädchen neulich die Scheiben geputzt hat. Die Vögel sehen jetzt das Glas nicht mehr und glauben, dass der Wintergarten im Freien liegt.«
»Tja, da ist guter Rat teuer. Ich habe keine Ahnung, wie man dieses Vogelsterben beenden könnte.«
»Lena hätte eben die Scheiben nicht putzen dürfen«, erklärte der Bub temperamentvoll.
»Lena hat nur getan, wozu ihr deine Mutter den Auftrag gab«, sagte Else Rennert.
»Ich werde mit Mutti ein ernstes Wort reden müssen.