
427 – Anklage gegen Dr. Wiesinger
Ungeduldig ging Clemens Hardlinger auf dem Bahnsteig auf und ab. Dabei sah er immer wieder auf seine Uhr. Es war eine sehr alte und wertvolle Taschenuhr, die er von seinem Vater geerbt hatte. Mit einer silbernen Kette hatte er sie an einem Knopfloch seiner Weste befestigt. Es war kurz nach drei.
»Jetzt muß er aber bald kommen«, murmelte der Tierarzt im Selbstgespräch und steckte die Uhr wieder in die schmale Westentasche zurück.
Endlich hörte er aus dem Lautsprecher die Durchsage, daß der Interregio aus München in wenigen Minuten in den Bahnhof der Kreisstadt einfahren werde.
Dr. Hardlinger atmete erleichtert auf. Seit einer halben Stunde wartete er schon auf den Zug, mit dem seine Nichte, Sonja Aschmann, die Tochter seiner Schwester, ankommen sollte. Er freute sich über den Besuch des Madels, das zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder Urlaub in St. Johann machen wollte. Allerdings pressierte es ihm auch, denn auf dem Brendelhof wartete ein Kalb darauf, das Licht der Welt zu erblicken, und der Tierarzt befürchtete Komplikationen. Deshalb wollte er so schnell wie möglich dorthin.
Der Zug hielt mit quietschenden Bremsen. Aufmerksam schaute der alte Mann auf die aussteigenden Reisenden. Die meisten eilten sofort dem Ausgang zu, andere sahen sich suchend um, ob sie wohl jemand abholte. So auch eine junge, dunkelhaarige Frau, die gerade eben mit einem großen Koffer in der Hand dem Waggon entstieg.
Dr.