
390 – Liebe, die der Himmel schenkt
»Wo steckt denn bloß der Tobias?« fragte der Brandtnerbauer ungehalten und sah auf die Uhr. »Schon nach sechs, und der Bursche ist immer noch net aufgestanden.«
Maria Brandtner, seine Frau, zuckte die Schultern.
»Andrea, schau doch mal nach, was da los ist«, sagte sie zu ihrer Tochter. »Das kennt man doch gar net von ihm. Hoffentlich ist er net krank. Gestern abend hat er gar net gut ausgesehen, und über Bauchschmerzen hat er auch geklagt.
Die dreiundzwanzigjährige Bauerntochter stellte die Kaffeekanne auf den Tisch. Sie nickte.
»Hast recht, Mutter, der Tobias ist sonst die Pünktlichkeit in Person. Da stimmt was net.«
Sie verließ die Küche, eilte durch die Diele zur Haustür und überquerte rasch den Hof. Rechts vom Bauernhaus lag das Gesindehaus. Früher hatte es mehr, als nur einen Knecht gegeben, da hatten zuweilen bis zu acht Knechte und Mägde auf dem Hof gearbeitet. Doch im Laufe der Jahre war vieles anders geworden. Jetzt war nur noch der alte Tobias übriggeblieben, der schon seit mehr als vierzig Jahren auf dem Brandtnerhof lebte. Der Vater des jetzigen Bauern hatte ihn noch damals eingestellt.
Daran dachte die hübsche, dunkelhaarige Andrea aber nicht, als sie an die Tür zur Kammer klopfte, die der Knecht bewohnte.