
104 – Der unbeugsame Bergbauer
Wolfgang Pahlinger ahnte nichts Gutes, als der Wagen auf den Hof fuhr. Der Mann, der ausstieg, war ihm nicht unbekannt. In den letzten Wochen war Franz Reiter mehrmals auf den Berghof gekommen, um die Forderung der Bank einzutreiben. Immer vergeblich, denn bei dem Bauern gab es nichts zu holen. Bei seinem letzten Besuch hatte der Gerichtsvollzieher dann die Zwangsräumung angedroht. Diesem Verfahren waren etliche Pfändungsversuche vorangegangen, und als diese nicht fruchteten, hatte die Bank den jungen Bauern verklagt. Das Gericht entschied zu Gunsten der Gläubigerin, und Wolfgang Pahlinger wurde aufgefordert, den Hof, der seit über drei Generationen im Familienbesitz war und nun der Bank gehörte, zu räumen.
War Franz Reiter die anderen Male immer alleine hergekommen, so folgte heute seinem Pkw ein großer Möbelwagen. Der Gerichtsvollzieher stieg aus und kam auf das Haus zu. Wolfgang stand am Fenster und wartete ab. Die Haustür hatte er abgesperrt, und in seiner rechten Hand hielt er die Jagdflinte, die er vom Vater geerbt hatte.
Es klopfte. Einmal, zweimal. Dann ein drittes Mal, energischer. Der Bauer vernahm die Stimme des Vollstreckungsbeamten.
»Herr Pahlinger, öffnen Sie! Ich weiß, daß Sie da drinnen sind.«
Ein Zucken ging über das markante Gesicht des Bauern. Wolfgang Pahlinger war achtundzwanzig Jahre alt. Er hatte strohblondes Haar, eine schlanke Gestalt und Hände, die zupacken konnten. Trotzdem hatte ihm diese Kraft nicht helfen können, den Hof zu erhalten. Die allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage, zwei aufeinander folgende Mißernten und nicht zuletzt ein Feuer, das die große Scheune in Schutt und Asche legte, hatten den Niedergang beschleunigt.