224 – So einfach ist das Leben nicht
Im Hause Callmer begann der Tag früh. Frank Callmer, Direktor in einer Maschinenfabrik, die dreißig Kilometer vom Wohnhaus entfernt lag, musste ins Werk, die einundzwanzigjährige Valerie zur Uni, Tim, der Neunzehnjährige, und Thomas, gerade elf Jahre alt geworden, und von seiner Geburtstagsfeier anscheinend noch ein bisschen mitgenommen, gingen aufs Gymnasium.
Petra Callmer stand immer schon um halb sieben Uhr auf, um ihre Familie mit einem guten Frühstück ins Alltagsleben zu entlassen. An diesem Morgen aber war ihr das Aufstehen ziemlich schwergefallen, sie fühlte sich nicht ganz wohl, und in der letzten Zeit hatte sie öfter mal unter Kreislaufstörungen gelitten. Sie ließ es sich nicht anmerken, aber sie hatte nun doch beschlossen, Dr. Norden einmal wieder aufzusuchen.
»Du bist blass, Liebes«, bemerkte Frank Callmer, als er sich von seiner Frau mit dem üblichen Kuss verabschiedete. »Fehlt dir was?«
»Ein bisschen schlapp, es wird am Wetter liegen«, erwiderte sie. »Geht schon vorüber.«
»Bei mir wird es heute spät werden. Besuch aus Japan kommt, und ich werde sie zum Essen ausführen müssen, aber es steht noch nicht fest. Ich rufe dich an.« Sie bekam noch einen Kuss, dann eilte er zu seinem Wagen.
Von den Kindern hatte er sich schon vorher verabschiedet, aber Petra begleitete ihn immer bis zum Gartentor.
Die beiden Buben waren dann die Nächsten, die aufbrechen mussten. Tim überragte seine zierliche Mutter schon um einen halben Kopf.
Er stand kurz vor dem Abitur, aber er hatte weder Examensangst, noch wurde er von den Eltern unter Druck gesetzt. Der kleine Thomas, er war wirklich noch klein für seine