
193 – Lasst mir mein Kind
Hanno Ostrow war ein gut aussehender, sympathischer Mann von zweiunddreißig Jahren, mittelgroß, schlank und dunkelhaarig. Man sah ihm gewiss nicht sofort an, dass er als kranker Mann bezeichnet werden musste. Er litt seit Jahren an einer chronischen Niereninsuffizienz und musste jede Woche zweimal zur Dialyse ins Großklinikum gefahren werden, denn er wagte nicht mehr, sich selbst ans Steuer zu setzen, da er in letzter Zeit öfter an Schwächeanfällen litt.
Seine Schwester Angela sorgte rührend für ihren Bruder. Sie war fünf Jahre jünger als er, ihm sehr ähnlich, aber eine sportliche, gesunde junge Frau.
Für Hanno hatte sie auf viel verzichtet, dies aber ihm gegenüber nie erwähnt. Sie hätte einen beruflich sehr erfolgreichen Mann heiraten können, aber dann hätte sie ihm nach Düsseldorf folgen müssen, und das brachte sie nicht übers Herz, da Hanno, als sich seine Krankheit bemerkbar machte, von seiner Frau verlassen worden war. Hart hatte es ihn getroffen, aber noch härter, dass ihr dann der damals zweijährige Dominik zugesprochen worden war.
Angela trauerte dem Mann nicht nach, der wenig Verständnis für ihre Entscheidung gezeigt hatte. Es konnte wohl nicht die richtige Liebe gewesen sein, meinte sie für sich, und sie verstand es, aus ihrem und Hannos Leben das Beste zu machen. Sie hatte im Elternhaus ein Schreib- und Übersetzungsbüro eingerichtet. Sie war diplomierte Dolmetscherin für Französisch, Englisch und Spanisch, und sie verdiente sehr gut. Und auch Hanno, ein sehr talentierter Grafiker, blieb auch trotz seiner Krankheit gut im Geschäft.
Angela hielt nach einer schweigsamen Fahrt beim Klinikum. Zufällig kam zur gleichen Zeit