
188 – Soll nun alles vorbei sein?
Julia Raider war die letzte Patientin, die in Dr. Nordens Wartezimmer saß. Sie war spät gekommen. Sie nahm die flauschige Mütze, die nur wenig von ihrem Gesicht freigab, auch in dem warmen Wartezimmer nicht ab und ignorierte die erstaunten Blicke der Anwesenden. Erst, nachdem sie sich hinter einer Zeitung verschanzt hatte, nahm sie die Mütze ab.
Sie hatte guten Grund, sich zu verstecken, denn eine lange Narbe zog sich über ihre linke Wange bis zum Kinn, und ihr Haar begann gerade wieder erst zu sprießen.
Vor nun zehn Wochen hatte Julia einen schrecklichen Unfall überlebt. Sie war mit ihrem Chef in dessen Privatflugzeug von einer Konferenz in Wien zurückgeflogen. Wegen eines Unwetters hatte das Flugzeug notlanden müssen und war auseinandergebrochen. Sie war herausgeschleudert worden, bevor das Flugzeug in Flammen aufging. Ihr Chef und der Pilot waren auf schreckliche Weise ums Leben gekommen, und diese grauenhafte Vorstellung belastete Julia noch zusätzlich, als sie selbst, nach zehn Tagen, außer Lebensgefahr war.
Sie lebte, ihre Wunden vernarbten, würden heilen, wie die Ärzte ihr immer wieder versichert hatten. Eine kosmetische Operation sollte in absehbarer Zeit ihrem Gesicht die frühere Schönheit zurückgeben.
Ja, Julia Raider war eine äußerst aparte Erscheinung gewesen, bevor dieses Unglück geschah. Sie war verlobt mit dem Exportleiter Dieter Hanke, den der Umstand, daß er noch in Wien zu tun hatte, davor bewahrte, auch ein Opfer dieses Unglücks zu werden.
Er hatte sie nicht im Stich gelassen, das war ihr ein Trost gewesen und sie wurde finanziell auf das großzügigste entschädigt für die Schmerzen, die sie erleiden