
185 – … und du bist doch unser Kind
»Nun, wo drückt der Schuh, Frau Holstede?« fragte Dr. Norden die hübsche junge Frau, deren Fuß er gerade verbunden hatte. Geraldine Holstede hatte sich beim Barfußlaufen im Garten einen Dorn eingetreten. Doch seine Frage galt mehr ihrem seelischen Befinden, und er wußte auch, was diese sympathische Frau bewegte. Er wollte, daß sie sich ihren Kummer endlich mal vom Herzen redete.
»Der Schuh drückt jetzt sicher eine Zeit, Dr. Norden, aber mehr bedrückt mich, daß ich kein Kind mehr bekommen kann.«
»Hat Dr. Leitner es festgestellt?« fragte Dr. Norden.
Sie nickte. »Wäre ich nur früher zu ihm gekommen, dann wäre ich bei der Geburt von Sandra nicht verpfuscht worden«, sagte sie bebend. »Mein Mann hat sich doch so sehr einen Sohn gewünscht.«
»Sie haben drei reizende Töchter«, sagte Dr. Norden nachdenklich.
»Aber bei den Holstedes hat es halt immer einen Sohn gegeben.«
»Doch dafür war Ihr Mann ein Einzelkind, und so schön ist das auch wieder nicht.«
»Meiner Schwiegermutter ist der eine Sohn lieber, als wenn sie drei Töchter gehabt hätte«, sagte Geraldine.
»Ihnen auch?« fragte der Arzt.
»Um mich geht es doch gar nicht«, erwiderte sie.
»Sie müssen die Kinder austragen und sie zur Welt bringen, und ich glaube nicht, daß Ihr Mann Sie einer Gefahr ausgesetzt wissen will, die Sie möglicherweise Ihr Leben kosten könnte.«
»Er macht mir ja keinen Vorwurf, aber ich spüre es, wie er sich nach einem Sohn gesehnt hat. Immer haben wir nur Bubennamen ausgesucht. Michael, Stefan, Alexander, es wurde eine Michaela, Stefanie, Alexandra.«
»Durchweg gesund, munter und hübsch«, stellte Dr. Norden fest. »Was meinen Sie, wie