
178 – Ein Glück, das unerwartet kam
Der Winter wollte in diesem Jahr nicht weichen, obgleich der Kalender längst Frühling verhieß und Ostern schon vorbei war. Und Dr. Norden konnte es verstehen, daß selbst eine so ausgeglichene und vitale Frau wie Gerlinde Wolfram trübsinnig wurde, denn ihr hatte der Winter nur Unglück gebracht.
Schon beim ersten Glatteis hatte sie sich das rechte Bein gebrochen, und das war bei einer Frau von vierundsechzig Jahren doch nicht so einfach.
Sie hatte Wochen in der Klinik verbringen müssen, und das war schlimm für sie gewesen, denn sie war es gewohnt, eine große Familie zu umsorgen, immer auf den Beinen und allgegenwärtig zu sein.
Nun, da sie wieder daheim war, ging auch nicht alles gleich so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie hatte zwar den Stock bald in die Ecke gestellt, aber sie mußte immer noch herumhumpeln und war auf die Mithilfe der Angehörigen angewiesen. Das behagte ihr nun gar nicht.
Als Dr. Daniel Norden sie an diesem Tag im Mai, den man eher winterlich nennen konnte, besuchte, empfing sie ihn mit betrübter Miene.
»Ja, wie schaut man denn drein?« begrüßte er sie aufmunternd.
»Dieses dämliche Bein«, sagte sie unwillig.
»Ich müßte mich um Karin kümmern, aber ich kann ja kaum humpeln.«
Karin, das war ihre Schwiegertochter. Mittlerweile kannte Dr. Norden ja die ganze Familie und daß der älteste Sohn Jürgen, Chefingenieur bei einer Flugzeugfabrik, kürzlich auch in diesen Vorort von München gezogen war. Er war viele Jahre in Amerika tätig gewesen.
Dr. Ing. Jürgen Wolfram und seine Frau Karin waren mit ihren Kindern Manuela und Kai vor einem