
152 – Verschenktes Glück
Die Grippe grassierte wieder mal, und so brauchte es Dr. Norden nicht zu wundern, daß er dringend zu Dr. Stahl gerufen wurde, dessen Sohn Tobias besonders anfällig für Infektionskrankheiten war.
Zu ihm fuhr der Arzt auch sofort, und als er vor dem hübschen Reihenhaus hielt, stand der Chefingenieur der Stahlwerke auch schon in der Tür.
»Gott sei Dank, daß Sie so schnell kommen, Dr. Norden. Diesmal ist es wieder besonders schlimm«, sagte der hochgewachsene, breitschultrige Mann. »Toby hat 39,8 Fieber. Ich habe es gerade noch mal gemessen.«
»Sind Sie wieder mal allein?« erkundigte sich Dr. Norden bestürzt.
»Wir reden nachher darüber«, erwiderte Jochen Stahl mit einem tiefen Seufzer. »Zuerst kommt Toby.«
Dr. Norden hatte sich schon manchmal gefragt, wie dieser starke Mann zu einem so zarten Sohn kam, aber als Marianne Stahl dann vor einem Jahr an einer schweren Nierenkrankheit gestorben war, kam ihm doch der Gedanke, daß der zehnjährige Tobias schon von Geburt an belastet sein könnte, obgleich sich nur die Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten bei ihm wiederholte.
Aus einem fieberheißen Gesichtchen blickten Dr. Norden etwas trübe dunkle Augen an. »Hallo, Doktor«, sagte der Junge heiser, »wieder mal das Theater. Warum muß es immer mich erwischen? Papi regt sich auf.«
»Das haben wir bald wieder im Griff, Toby«, sagte Dr. Norden. »Wer hat dich denn diesmal angesteckt?«
»Die blöde Lisa. Ich bin froh, daß sie weg ist.«
Also wieder mal, dachte Dr. Norden, denn lange blieb eine Haushälterin nie bei Dr. Jochen Stahl.
Lisa war schon die fünfte innerhalb eines Jahres. An wem mochte es wohl liegen, daß es keine