
148 – Ein Traum zerrann
»Hallo, Onkel Doktor!« rief eine Mädchenstimme, als Dr. Norden, von einem Hausbesuch kommend, zu seinem Wagen ging. Er drehte sich um und blickte in ein bildhübsches, fröhliches Gesicht.
»Hallo, Tina, was machen Sie denn hier?« fragte er.
Tina Kogler sagte immer »Onkel Doktor« zu ihm, seit sie als Babysitter bei kleinen Patienten von ihm einsprang. Sie selbst konnte sich einer so guten Gesundheit erfreuen, daß sie keinen Arzt brauchte, aber Dr. Norden freute sich immer wieder, wenn er dieses frische natürliche Mädchen traf. Selten genug geschah es ja, daß man eine Zwanzigjährige kennenlernte, die noch so natürlich war.
Dabei war Tina ein sehr tüchtiges Mädchen, das sich sein Sprachstudium selbst verdiente. Ihre Eltern wären zwar durchaus in der Lage gewesen, ihrer einzigen Tochter diese Ausbildung zu ermöglichen, aber Tina war schon in jungen Jahren sehr konsequent und zielstrebig. Sie vertrat den Standpunkt, daß man weitaus mehr schätzte, was man sich selbst verdienen mußte. Und Dr. Norden erfuhr jetzt von ihr, daß sie sich als Reiseleiterin verdingt hatte.
»Ein toller Job«, erklärte sie freudestrahlend. »Ich werde sehr viel zu sehen bekommen und werde auch sehr anständig bezahlt. Zuerst waren sie ja ein bißchen skeptisch, weil ich so jung bin, aber mit meinen Sprach- und Kunstkenntnissen konnte ich sie glücklicherweise überzeugen.«
»Und wohin wird die erste Reise gehen?« fragte Dr. Norden interessiert.
»Mit dem Bus zu den Loire-Schlössern, durch die Provence, und dann noch drei Tage Paris. Ein Anfang, wie ich ihn mir besser nicht wünschen konnte.«
»Dann wünsche ich Ihnen viel Glück dazu, Tina«, sagte Dr. Norden herzlich.