
149 – Ich kann – und will nicht mehr hassen
Dr. Leon Laurin war immer verunsichert, wenn eine der beiden Schwestern Bischoff zu ihm kam.
Obwohl Lisanne zwei Jahre älter war als Annette, sahen sie sich nahezu unheimlich ähnlich, und wer sie nicht ganz genau kannte, musste überlegen, wen er nun eigentlich vor sich hatte.
Als jedoch dann Ernst Bischoff mit einem Kreislaufzusammenbruch in die Prof.-Kayser-Klinik eingeliefert wurde, brauchte Dr. Laurin nicht mehr zu überlegen, mit welcher der Schwestern er es zu tun hatte.
Nur Annette besuchte ihren Vater. Ganz beiläufig hatte sie bemerkt, dass Lisanne sich auf einer langen Auslandsreise befände und noch nicht verständigt werden konnte.
Dr. Laurin fragte nicht weiter. Er wusste inzwischen, dass es zwischen Ernst Bischoff und Lisanne Differenzen gegeben hatte. So groß die äußere Ähnlichkeit zwischen den Schwestern auch war, im Charakter waren sie grundverschieden.
Lisanne war temperamentvoll, oberflächlich und sehr materiell eingestellt.
Annette war feinsinnig, künstlerisch begabt, sehr zurückhaltend, und seit dem Tod der Mutter sorgte sie liebevoll für ihren Vater, den Gutsherrn und Sägewerksbesitzer Ernst Bischoff.
Er war ein guter und gerechter Vater, aber vielleicht hatte er Lisanne früher doch ein bisschen vorgezogen, weil er mit ihr mehr anfangen konnte als mit dem Sensibelchen Annette, die so zart war und so sehr an der Mutter hing.
Er sollte später froh und dankbar sein für diese Tochter, denn Lisanne bereitete ihm viel Kummer. Doch darüber wurde nicht geredet.
Annette machte sich nun große Sorgen um ihren Vater. Sie verbrachte viel Zeit an seinem Krankenbett, und endlich schien es, als hätte er alles überstanden.
Annette atmete auf, als sie einmal länger mit ihm sprechen