
147 – Aus Pflichtgefühl bis zur Erschöpfung
»Marie!«, rief Chefarzt Dr. Laurin während der Vormittagssprechstunde und winkte ihr mit einer Karteikarte zu.
Schwester Marie fuhr aus ihren Gedanken hoch. »Ja, Chef?«
»Wo sind Sie schon wieder mit Ihren Gedanken?«
Marie senkte verlegen den Blick. »Entschuldigen Sie, Herr Doktor.«
Leon Laurin musterte sie ernst. »Haben Sie irgendein Problem?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, kein Problem …«
»Sondern – was?«
»Ach, es ist nichts, Herr Doktor. Wirklich nicht. Soll ich die nächste Patientin hereinrufen?«
»Darum hatte ich Sie gebeten.«
»Tut mir leid, dass ich es überhört habe, Chef. Es wird nicht wieder vorkommen«, versprach Schwester Marie und ging zur Tür.
Leon Laurin sah ihr leicht besorgt nach. Irgendetwas stimmte nicht mit Schwester Marie, dem guten Geist der Frauenstation.
Was war nicht in Ordnung mit ihr? Was beschäftigte sie so sehr, dass ihre Gedanken auf einmal – was bei ihr bisher so gut wie nie vorgekommen war – während der Arbeit immer wieder abschweiften?
Sie rief die nächste Patientin auf. Dolores Paulsen, eine attraktive Geschäftsfrau, die so alt wie Leon war und seit Jahren zu seinen Stammpatientinnen zählte.
Sie schien Sorgen zu haben. Ein düsterer Schatten lag über ihrem hübschen Gesicht. Sie war zur Vorsorgeuntersuchung angemeldet.
Dr. Laurin begrüßte sie freundlich und bat sie, sich auf den Gynäkologenstuhl zu setzen.
Hatte sie Angst, er könnte diesmal etwas entdecken? Eine Veränderung? Ein Gewächs? Die Untersuchung brachte ein beruhigendes Ergebnis.
»Alles in bester Ordnung«, versicherte Leon Laurin, als die schöne Frau wenig später vor ihm auf dem Patientenstuhl saß. Ihr gehörte eine große Kunstgalerie im Zentrum der Stadt, die sich im Laufe der Jahre einen hervorragenden Namen gemacht