
128 – Junge Liebe, alte Schuld?
Patricia Daniels – zweiundzwanzig Jahre, ausgesprochen hübsch und immer fröhlich. So kannte Dr. Leon Laurin die junge Frau. Sie war täglich in der Klinik gewesen, als ihre Mutter operiert worden war, und hatte sich häufig von ihm über Anne Daniels’ Zustand informieren lassen. Eine liebevolle Zuneigung verband Mutter und Tochter, und Dr. Laurin mochte beide Frauen sehr gern.
Als Patricia an einem Dienstagmorgen im Mai zu ihm in die Sprechstunde kam, war sie so ernst wie in jenen Tagen nach der schweren Operation ihrer Mutter, und deshalb fragte Dr. Laurin sie auch sofort, ob etwas mit Anne sei.
»Mami geht es gut«, sagte sie, »ich komme in eigener Sache. Ich bin schwanger, das weiß ich, aber ich muss es mir von Ihnen bestätigen lassen.«
Ihr Ton war frostig, und der Klinikchef spürte, dass sie sich in einer zwiespältigen Stimmung befand.
Er sah sie forschend an.
»Wollen Sie sich erst aussprechen, Patricia?«, fragte er väterlich.
»Was soll ich sagen? Vielleicht habe ich zu lange geträumt.«
»Ich verstehe nicht, wo die Schwierigkeiten liegen. Die Hochzeit ist doch schon geplant, wie ich meine.«
»Aber Frau Bernstorf gibt nicht auf. Sie mag mich nicht, sie will uns auseinanderbringen.«
»Und was sagt Constantin?«
»Dass ich mir das nur einbilde. Seine Mutter sei nun mal ein schwieriger Mensch.«
Davon konnte Dr. Laurin allerdings auch ein Liedchen singen, aber das sagte er natürlich nicht. Er konnte nicht verstehen, dass es Menschen gab, die Patricia nicht mochten. Aber er wusste, dass Monica Bernstorf andere Wertvorstellungen hatte. Bei ihr ging es nicht um menschliche Qualitäten, sondern allein um materielle Vorzüge,