
123 – Sie dachte unentwegt an Alexander
Schwester Marie fröstelte, als sie zu ihrer Wohnung ging. Es war die erste wirklich kalte Nacht in diesem Spätherbst. Marie hatte es, wie viele andere auch, nicht wahrhaben wollen nach diesen herrlichen sonnigen Wochen, dass nun schon der Winter seine Vorboten ausschickte.
Es war wieder einmal ein anstrengender Tag in der Prof.-Kayser-Klinik gewesen. Drei Geburten an einem Tag und dazu noch zwei schwierige Patientinnen, die erst gestern operiert worden waren – das brachte schon ziemlichen Trubel in den Tagesablauf.
Nun, in ihrer warmen behaglichen Wohnung konnte sie sich endlich entspannen. Sie machte sich noch einen Glühwein, kuschelte sich auf die Couch und schaltete den Fernsehapparat ein. Das war die beste Ablenkung nach solchen Tagen.
Es lief eine Talkshow, und solche Sendungen sah Marie gern. Eine sehr aparte junge Frau fiel ihr angenehm auf, die gerade mit überzeugenden Argumenten zum Thema ›Treue‹ Stellung nahm.
»Treue beweist sich erst in Notsituationen, meiner Ansicht nach. Solange zwischenmenschliche Beziehungen keinen Belastungen ausgesetzt sind, müssen sie sich nicht bewähren. Erst wenn ein Partner schwerkrank wird oder in große finanzielle Schwierigkeiten gerät, beweist sich der Zusammenhalt, den man letztlich als Treue bezeichnet. Natürlich kann man auch seiner Heimat treu bleiben oder sich selbst, aber beweisen kann man Treue nur in der Beziehung zu anderen Menschen.«
Endlich mal kein Blabla, dachte Marie zufrieden. Als dann der Name der attraktiven Sprecherin genannt wurde, prägte sie ihn sich unwillkürlich ein: Belinda Milanet!
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Belinda Milanet war todmüde, als die Show endlich vorbei war. Selbst die perfekte Schminke konnte die durchsichtige Blässe ihres zarten Gesichtes nicht