
20 – Ich war dir niemals untreu!
»Dann wünsche ich guten Appetit!« Traudel Bruckner, die Haushälterin und gute Seele im Doktorhaus, schaute freundlich in die Runde ihrer Lieben.
Wie so oft saßen nicht nur die Mitglieder der Familie Seefeld am Tisch in der gemütlichen Landhausküche. Neben Emilia, der vierzehnjährigen Tochter Sebastian Seefelds, hatte ihr Freund Markus Platz genommen. Er war gleich nach der Schule mit ins Doktorhaus gekommen, weil morgen eine Französischarbeit anstand, für die die Jugendlichen lernen wollten. Zwei andere Freundinnen würden später auch noch dazukommen, und alle zusammen hätten dann die Terrasse am weitläufigen Garten als herrlichen Arbeitsplatz.
Neben Sebastian Seefeld, dem beliebten Landarzt, saß eine sehr hübsche, schweigsame junge Frau. Sie war klein und zierlich, hatte einen hellen, seidigen Teint und faszinierende Augen, die je nach Beleuchtung grün oder blau-grün schimmern konnten. Ihre langen dunkelblonden Haare hatte sie zu einem lässigen Knoten auf dem Kopf zusammengefasst. Sie trug ein leichtes, blau-graues Sommerkleid, das mit zarten Vogelfedern bedruckt war, und eine hauchdünne, goldene Halskette. Die junge Frau war Viktoria Plessin, eine Medizinstudentin kurz vor dem letzten Teil des Examens. Ihre Doktorarbeit hatte sie bereits abgeschlossen, der größte Teil ihres praktischen Jahres im Uniklinikum lag hinter ihr. Viktoria wollte ihre praktischen Erfahrungen nicht nur im Krankenhaus sammeln, sondern auch in einer Landarztpraxis. Deshalb war sie ab heute die neue Mitarbeiterin von Doktor Sebastian Seefeld.
»Wie sind denn Ihre ersten Eindrücke gewesen, Viktoria?«, erkundigte sich Sebastian freundlich. Er war ein gut aussehender, großer Mann mit dunklen Haaren, auffallenden grauen Augen und einem warmherzigen Lächeln.
»Vielfältig!«, antwortete die junge Frau. »Natürlich kann