
10 – Fiona lügt!
»Heute ist der Tag, heute kommt sie!«, verkündete Gertrud Fechner mit Grabesstimme. Die rundliche ältere Frau starrte düster in ihre Kaffeetasse. Ihre hellblauen Augen, die sonst einen fröhlichen oder auch energischen Ausdruck hatten, guckten finster.
»Gerti, jetzt reiß dich zusammen!«, antwortete ihre Schwester streng. Sieglinde war vier Jahre älter als ihre Schwester Gertrud, frisch pensionierte Oberstudienrätin, und hatte keine Geduld mit unbegründeten Ängsten und Jammerei.
»Du verstehst mich nicht!« Gerti schaute ihre Schwester anklagend an. Konnte sie nicht ein wenig Mitgefühl erwarten?
»Nein, tue ich auch nicht!« Sieglinde setzte sich, falls das überhaupt möglich sein sollte, noch ein wenig aufrechter hin. »Du tust, als sei heute der Tag deiner Hinrichtung. Dabei bekommst du nur eine neue Kollegin zu Seite.«
»Nur!« Gerti schnaubte empört durch die Nase. »Du hast ja keine Ahnung! So ein junges Ding, noch keine dreißig Jahre, mit gefärbten Haaren und einem Tattoo! Wird alles besser wissen und anders machen wollen, als es in den vergangenen Jahrzehnten bestens funktioniert hat, erst beim alten Doktor und jetzt bei seinem Sohn. Denk doch nur an den Umgang mit dem Computer! Immer neue Programme, immer ist alles anders. Ich hasse das! Früher hatten wir unsere Karteikästen und Kalender und Stifte, das funktionierte problemlos.«
»Früher hatten wir auch einen Kaiser«, schnitt ihre Schwester ihr das Wort ab. »Der Computer ist kein Hexenwerk, und du kannst ganz gut mit ihm umgehen. Hör auf mit dieser Schwarzseherei! Denk mal an deine neue Kollegin, wie sie sich jetzt wohl fühlen mag, das arme Ding. Muss sich neben einer gestandenen Frau