
120 – Ein falscher Verdacht?
»Ihr müsst euch ja sicher noch tränenreich voneinander verabschieden«, stellte Amelie von Hohenstein fest, während sie routiniert ihren Rucksack packte. Sie warf ihrer Freundin Katja von Salchow bei diesen Worten einen kurzen Blick zu und stellte amüsiert fest, dass Katja verlegen errötet war.
Amelie richtete sich auf. »Hast du etwa gedacht, ich merke nicht, was da läuft?«
Katja wandte sich ihr zu. Sie war eine zartgliedrige Blondine mit Augen von einem tiefen Blau. Wer sie zum ersten Mal sah, konnte sich nicht vorstellen, dass diese zierliche Person imstande war, eine schwere Fotoausrüstung zu schleppen, doch genau so war es. Sie fotografierte noch auf die ›altmodische‹ Art, auf Film. Zur Digitalkamera griff sie nur in Ausnahmefällen.
Amelie hatte schon oft bedauert, selbst so unbegabt fürs Fotografieren zu sein. Die Bilder, die sie von Katja gemacht hatte, waren allesamt grauenvoll, sie waren sich in der Beurteilung völlig einig. Aber so war es nun einmal, sie war fürs Schreiben zuständig, Katja fürs Fotografieren. Wer die Freundinnen nicht kannte, vergab die Rollen automatisch umgekehrt: Amelie war eine sportliche Dunkelhaarige, zu der eine stattliche Fotoausrüstung so gut zu passen schien wie ein Laptop zu Katja, doch ihre Begabungen waren nun einmal anders verteilt.
»Es läuft ja noch gar nichts«, sagte Katja in diesem Augenblick leise. »Sei nicht immer so schnell, Amelie, du weißt, in der Hinsicht bin ich abergläubisch.«
Sie reisten jetzt seit Wochen durch Deutschland mit dem Ziel, ein ganz besonderes Buch herauszubringen, das Schlossführer und Reisetagebuch in einem war. Sie hatten die Besitzer von allen Schlössern angeschrieben, an